Ein Teil von mir würde fehlen

Seit 2010 führt Ursula Löckenhoff (53) ihr Hundehotel in Düsseldorf-Gerresheim und ist daneben bereits lange Jahre ehrenamtlich im Tierschutz aktiv. Die Autorin vielbeachteter Hundesachbücher ist Hundephysiotherapeutin und Expertin für Mehrhundehaltung. Den Vierbeinern widmet sie einen Großteil ihrer Zeit, auch privat lebt ihre Familie mit mehreren Hunden zusammen.

Wie sind Sie auf die Idee gekommen, ein Hundehotel zu eröffnen?

Ich bin mit Hund, Katze und Pferd aufgewachsen. Von klein auf interessiere ich mich für Hunde in Notlagen und hätte am liebsten alle aufgenommen. Meine Eltern waren zwar tierlieb, aber das war meinem Vater dann doch zu viel des Guten. Meinen Wunsch zur Mehrhundehaltung habe ich tatsächlich erst viel später verwirklichen können und nun gehören zu unserer Familie vier Hunde. Über mein Engagement im Tierschutz kam ich dann auf die Idee der Gründung des Hundehotels und konnte so meine Passion mit meiner Arbeit verbinden. Das war die beste Idee meines Lebens.

Wieso haben Sie gerade die Hunde so fasziniert und nicht die Katzen oder Pferde, mit denen Sie ja auch aufgewachsen sind?

Mensch und Hund sind seit jeher eng miteinander verbunden und als soziale Lebewesen gleichermaßen gern gesellig. Das hat mich immer am meisten fasziniert. Mit meiner Art der Betreuung möchte ich dem Hund heute genau diese Geselligkeit bieten. Die Hunde, die ich aufnehme, leben auch wirklich bei uns. Sie bewegen sich frei im Haus und im Garten. Das enge Zusammenleben mit einer Hundegruppe ermöglicht es mir, die Hunde in ihrer ursprünglichen Art kennen zu lernen. Meine Beobachtungen und Erfahrungen basieren auf gut sozialisierten Hunden genauso wie auf Hunden mit Erziehungsdefiziten – und auch Handicap Hunde nehme ich auf. All diese Hunde treffen bei uns auf eine gut strukturierte harmonische Hundegruppe und verbringen als solche mit mir den Alltag. Die Arbeit mit Hunden ist für mich mehr als nur ein Job – sie ist mein Leben.

Einer Umfrage in Berlin zufolge waren schon vor Jahren über die Hälfte (56,3%) der Berliner der Meinung, artgerechte Haltung von Hunden sei in der Stadt nicht möglich. In der aktuellen Diskussion spielt dabei auch der zunehmende Leinenzwang eine Rolle. Sie leben in Düsseldorf und halten gleich eine ganze Horde Hunde im Haus…

Die Leine ist nichts negatives, sie bedeutet für unsere Hunde: „jetzt unternimmt mein Mensch etwas mit mir“. Nicht der Freilauf hat für Hunde oberste Priorität, sondern die gemeinsame Aktion. Der Mensch ist der wichtigste Sozialpartner für den Hund, kann ihm aber keinen Artgenossen ersetzen. Deswegen ist die Mehrhundehaltung artgerechter als eine Einzelhundehaltung. Bevor man sich jedoch mehrere Hunde zulegt, sollte sich unbedingt gut und intensiv darauf vorbereitet werden, etwa in Seminaren oder Workshops. Eine verständliche Kommunikation und wiederkehrende Rituale schaffen zum Beispiel ein Zugehörigkeitsgefühl für den Einzelnen. Das ist wichtig, denn je mehr Hunde gehalten werden, desto geordneter sollte die Gruppe zusammengehalten und geführt werden können. Gegenseitige Rücksichtnahme ist in der Stadt ein entscheidender Faktor im sozialen Miteinander – allerdings nicht nur für Mehrhundehalter.

Was macht das Zusammenleben mit Hunden – sei es ein einzelner Hund oder mehrere – für Mensch und Tier so wertvoll?

Berechtigte Frage – Hunde machen Dreck, kosten Zeit, Nerven und Geld. Ich glaube, wer einmal einen Hund zum Freund hatte weiß, dass es darauf keine rationale Antwort gibt. Hunde sind genau wie wir gerne gesellig. Sie hören uns zu, sie bringen uns zum Lachen und sie trösten uns. Sie begleiten uns im stressigen Büroalltag, genauso wie auf die Wandertour und wenn wir krank sind, hüten sie unser Krankenlager. Da wir verantwortlich für sie sind, müssen wir gerade im Stadtalltag darauf achten, dass ihre Bedürfnisse nicht zu kurz kommen. Egal ob es nun ein arbeitsreicher oder verregneter Tag ist, brauchen sie ausreichend Aufenthalt in der Natur. Im Zusammenleben erden und zeigen sie uns, was wirklich entscheidend ist: Gemeinsamkeit.

Sie engagieren sich auch aktiv im Tierschutz. Wie kamen Sie dazu?

Durch unsere beiden Whippets bin ich auf das Schicksal des Galgo Españols aufmerksam geworden. Die Galgos gehören zu den Windhunden und werden in Spanien ohne Zuchtreglementierung gezüchtet. Zuchtziel ist es, ähnlich dem Rennpferdesport, den Champion heranzuziehen. Erfüllen sie das Zuchtziel nicht, werden sie grausam entsorgt. Galgos eignen sich jedoch gut als Familienhunde und sind treue, unaufdringliche, geradezu zärtliche Begleiter. Nachdem ich erst als Pflegestelle bei anderen Vereinen tätig war, habe ich 2006 die Galgo-Hilfe eV gegründet. Wir haben uns stark gemacht für eingezäunte Freilaufflächen, auf denen die Windhunde ihren so wichtigen Freilauf genießen können. Seit Gründung der Galgo-Hilfe eV konnte ich vielen Hunden in Not eine Zukunft geben.

Das hört sich nach leiser Kritik an Hundezucht an…

Es gibt viel zu viele Hunde in Not, da müsste man sich nicht zwingend einen Hund vom Züchter kaufen. Trotzdem bin ich nicht grundsätzlich gegen den Kauf eines Hundes vom Züchter. Wir haben so viele wunderbare Rassen. Eine Rasse sagt dem Hundehalter schon viel darüber, was er seinem Hund bieten können muss. Nur sollte der ausgewählte Züchter sorgfältig arbeiten, seine Elterntiere achtsam halten und die Verpaarung verantwortungsvoll zusammenstellen. Der Züchter muss ein Interesse daran haben, die Zucht sowohl gesundheitlich wie auch charakterlich „sauber“ zu halten. Seine Nachzucht sollte gut auf den Mensch geprägt werden, das heißt mit dem Mensch den häuslichen und natürlichen Alltag teilen. Und natürlich auch die Stadt, ihre Geräusche und Gerüche kennen lernen dürfen.

Wenn es so viele Hunde in Not gibt: Müssen wir sie dann nicht noch besser schützen? Reicht unser Tierschutz aus?

Leider wird immer noch viel zu oft bei Missständen weggeschaut. Aufklärung und Öffentlichkeitsarbeit sind das A und O. Es muss immer wieder veranschaulicht werden, was zum Beispiel einen guten Züchter oder eine seriöse Tierschutzorganisation ausmacht, wie und wo sich sinnvoll helfen lässt, was ehrenamtliches Engagement bedeutet und vieles mehr. Wir sollten uns fortführend einsetzen für Tiere in Not. Wir sind ihre Stimme – sie können nicht für sich selber sprechen. Bringt sich jeder nur ein klein wenig ein, lässt sich Großes bewirken. Im September 2020 findet die Tierschutzkonferenz Canis Symposia statt, auf der umfassend über die Lage informiert wird. Ich werde die Konferenz mit einem Beitrag zum Thema „Hund aus dem Süden“ und einem Workshop zur Mehrhundehaltung als Referentin unterstützen.

Sie arbeiten und leben rund um die Uhr mit den Vierbeinern, wie wäre eine Leben ohne Hund für Sie?

Ein Leben ohne Hund ist für mich nicht vorstellbar. Es würde immer ein Teil von mir fehlen.

Vielen Dank für das Gespräch.

Wichtige Links:
www.canis-symposia.de: Informationen zur Tierschutzkonferenz Canis Symposia
www.bene-bello.de: Das Hundehotel von Ursula Löckenhoff
www.galgo-hilfe.de: Tierschutzverein von Ursula Löckenhoff

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