Den SenFF dazu geben

Wolfgang Müller (76) geht zu Fridays for Future Demos und engagiert sich bei der Arbeiterwohlfahrt (AWO) in Düsseldorf. Seine Nachbarn sehen ihn oft auf dem Fahrrad, hin und wieder ist er im Carsharing-Wagen auf Tour. Für „Knüff“, wie Freunde den Diplomingenieur nennen, sind Engagement und Ehrenamt selbstverständlich. Uns hat er erzählt, warum Klimaschutz und Digitalisierung auch die ältere Generation etwas angeht und warum ihm sein Engagement so viel Spaß macht.

Herr Müller, die wichtigste Frage zuerst: Was bedeutet Haltung zeigen für Sie? 

Haltung zeigt für mich eine Person, die deutlich macht, wofür sie steht und was ihr wichtig ist. Das bedeutet auch, für seine Meinung einzustehen, wenn viele andere vielleicht dagegen sind. Sich nie von seinem Weg abbringen lassen und stets ein gutes Argument parat haben, um seine Ansichten zu vertreten.

Sie tun das. Sie sagen Ihre Meinung, wenn es um den Klimaschutz geht. Eigentlich ist das doch eher ein Thema, das junge Menschen für sich entdeckt haben. Wie kam es dazu, dass Sie gemeinsam mit anderen Senioren für eine nachhaltige Zukunft demonstrieren?

Als meine Frau Elvira und ich bei einem Treffen im „zentrum plus“ der AWO von den Vorbereitungen zur großen Demo „Fridays For Future“ in Düsseldorf erfuhren, war allen Teilnehmenden klar: Da müssen wir unseren Senf dazu geben! Also sind wir beim nächstem Mal, als AWO-Gruppe, mit dem Slogan „Seniors For Future“ (SenFF) selbst mitgelaufen.

Wolfgang Müller (3.v.l.) mit den „Seniors For Future (SenFF)“

Die Teilnahme an den Demos ist nicht für Jedermann selbstverständlich. Warum machen Sie das und was genau wollen Sie erreichen?

Wir wollen zeigen, dass wir die Jugend nicht alleine lassen und die Kluft zwischen den Generationen wieder schließen möchten. Dass Alt und Jung zusammenarbeiten können und in Punkto Klimaschutz auch zusammenarbeiten müssen. Auch wenn wir Alten nur noch die nahe Zukunft erleben werden, wollen wir für unsere Kinder und Enkelkinder auf die Straße gehen. Meine Generation ist selbst in Teilen für die Klimaschäden verantwortlich. Jetzt ist es Zeit dafür zu sorgen, dass auch die kommenden Generationen in eine gesunde und umweltfreundliche Zukunft blicken können.

War Ihnen schon immer klar, dass Ihre Generation eine Mitschuld beim Klimawandel trägt, oder hat sich das Bewusstsein in Bezug auf die Umwelt erst im Laufe der Jahre entwickelt?

Das Bewusstsein, das ich heute zur Umwelt habe, hat sich tatsächlich erst im Laufe der Jahre entwickelt. Es wird natürlich durch die Fakten, mit denen wir alle immer wieder konfrontiert werden, weiter verstärkt. Beinahe täglich wird in den Nachrichten über Umweltkatastrophen berichtet, welche durch den Klimawandel und die massive Umweltbelastung ausgelöst werden. Genau aus diesem Grund möchten wir mit den Seniors For Future zeigen, dass uns die Zukunft der Jüngeren nicht egal ist und dass auch wir noch etwas tun können.

Was konkret meinen Sie damit? 

Es geht nicht nur um das Demonstrieren, auch Radfahren oder eine bewusstere Ernährung sind für mich selbstverständliche Dinge, um die Umwelt zu schützen. Ein begeisterter Fahrradfahrer war ich schon immer und unser Auto haben wir bereits vor 10 Jahren abgeschafft. Durch unsere zentrale Wohnlage ist fast alles fußläufig zu erreichen, der Supermarkt und der Bäcker sind direkt vor meiner Haustüre. Und wenn wir doch mal weitere Strecken fahren wollen, nutzen wir „Carsharing“. So können wir je nach Anliegen einen Wagen nach beliebiger Größe und zu einem gewünschten Zeitpunkt wählen. Das ist sowohl praktisch als auch kostensparend und nachhaltig.

Das sind eine Menge Situationen, in denen Sie eine nachhaltigere Lebensweise in Ihren Alltag integrieren. Glauben Sie, dass hinsichtlich des Klimawandels trotzdem noch zu viele Menschen wegschauen?

Auffällig ist, dass sich immer noch zu wenige Menschen gerade meiner Generation mit der Ernährung auseinandersetzen. Wenn einem vor Augen geführt wird, wie viel Fläche und Wasser für die Landwirtschaft und die Fleischerzeugung verbraucht werden, sind das wahnsinnige Zahlen. Allein die Abholzung für das Tierfutter der Massentierhaltung trägt massiv zur Umweltbelastung bei. Schuld daran sind unter anderem unser Essverhalten und der hohe Fleischkonsum, aber das wollen einige immer noch nicht wahrhaben. Ich bin der Meinung, dass sich das ändern könnte, wenn noch mehr Menschen mit uns demonstrieren würden, anstatt wegzuschauen. Es muss nicht plötzlich jeder Vegetarier werden, aber es sollte ein anderes Bewusstsein in Bezug auf unsere Ernährung und damit auch für unsere Umwelt geschaffen werden.

Neben Ihrem Engagement für den Klimaschutz setzen Sie sich auch mit der Digitalisierung auseinander und helfen älteren Menschen, sich in der Welt des Internets zurechtzufinden. Wie können wir uns das genau vorstellen? 

Ich bin bei der AWO als Schriftführer für den Ortsverein tätig. Natürlich ist auch diese Arbeit ohne Computer und Internet nicht mehr zu leisten. Das hat dazu geführt, dass ich meine Computerkenntnisse nun in regelmäßigen Kursen in einem iCafe im „zentrum plus“ der AWO in Unterbilk weitergebe. Gerade die Älteren tun sich häufig mit der Welt des Internets schwer. Oder sie wollen nicht wahrhaben, dass das Internet im Alltag eine große Hilfe sein kann. Ich freue mich, dass ich älteren Menschen von den positiven Möglichkeiten der Digitalisierung überzeugen kann. Seit wir in einer Wohngruppe der Düsseldorfer Wohngenossenschaft (DWG) wohnen, helfe ich im Rahmen eines „Repair Cafés“ im Nachbarschaftszentrum der Genossenschaft auch regelmäßig dabei, defekte Haushalts-Kleingeräte wieder auf Vordermann zu bringen. Auch im „zentrum plus“ biete ich mit Helfern diesen Service in einem iCafe an.

Finden Sie es wichtig, dass sich auch die älteren Generationen mehr mit dem Thema Digitalisierung beschäftigen?  

Ja, auf jeden Fall! Leider sind viele damit überfordert. Das ist sehr schade, da die Kinder und Enkelkinder gerade per Smartphone gerne Kontakt mit ihren Großeltern halten. Hier mal ein Foto senden, da mal ein Videoanruf: so ist es viel leichter, regelmäßig voneinander zu hören. Dadurch entsteht aber auch ein gewisser Druck für die Großeltern, da sie fast gezwungen sind, sich mit der Digitalisierung auseinanderzusetzen. Ein Smartphone-Kurs eignet sich sehr gut, um das nötige Know How rund ums Thema Handy und Internet zu vermitteln.

Das hört sich nach einer Menge Arbeit an. Wie schaffen Sie es, im Alltag bei so vielen Projekten nicht den Überblick zu verlieren? 

Die Tage meiner Frau und meine sind schon sehr strukturiert. Dienstag und Donnerstag gibt Sie Yoga Kurse, dabei helfe ich ihr und greife ihr bei den Vorbereitungen unter die Arme. Mittwochs schauen wir, dass wir immer noch unsere Zeit zu zweit haben und etwas gemeinsam unternehmen. Alle 14 Tage beteilige ich mich an der Redaktionssitzung des Impuls Magazins der AWO. Das Magazin richtet sich an die Generation 50+ und informiert über aktuelle Themen wie die Digitalisierung, Ernährung oder auch den Verkehr. Es geht dabei vor allem um die Zukunft, also wie das Internet in unser Leben eingreift oder ob man zum Beispiel mit 70 noch Radfahren kann. Was ich natürlich nur bejahen kann! („lacht“)

Sie arbeiten nun schon seit 20 Jahren ehrenamtlich in Düsseldorf. Wie sind Sie dazu gekommen?

Engagement war meiner Frau und mir schon immer sehr wichtig und nimmt in unserem Leben einen großen Raum ein. Wir haben die Dinge immer gerne selbst in die Hand genommen. Angefangen hat es, als wir auf der Suche nach einem geeigneten Kindergartenplatz für unsere Tochter waren. Es hat uns nichts wirklich gefallen, bis wir auf eine Elterninitiative gestoßen sind, in der die Eltern aktiv mithelfen, organisieren und sich im Kindergarten engagieren. Es wurde gemeinsam gekocht, geputzt oder repariert. Dabei sind Freundschaften entstanden, die bis heute halten.

Mit der AWO sind wir das erste Mal in Berührung gekommen, als meine Frau wieder arbeiten wollte und dort administrative Tätigkeiten im Büro übernommen hat. Mit der Rente wurde uns bewusst, dass wir die Zeit sinnvoll nutzen wollen und da zu dem Zeitpunkt ein neuer Vorstand für den Ortsverein gesucht wurde, hat das Eine zu dem Anderen geführt und wir haben uns dafür bereit erklärt.

Ihre Tätigkeiten und Ihr Engagement spielen sich rund um Düsseldorf ab. Was verbinden Sie mit Düsseldorf?  

Düsseldorf bedeutet für mich vor allem Heimat. Als ich im Alter von neun Jahren mit meinen Eltern hergezogen bin, sah die Stadt noch ganz anders aus: Viele Ruinen, es fuhren kaum Autos, die Straßen waren leer und wir waren rund um die Uhr draußen. Während meines Studiums kellnerte ich im Restaurant „Spoerri“ und lernte dort auch die Altstadt kennen und lieben. Ich habe viele inspirierende und interessante Menschen treffen dürfen, mit denen ich teilweise heute noch befreundet bin. Außerdem fasziniert mich das viele Grün in Düsseldorf, wir haben so viele schöne Parks und Wälder. Düsseldorf ist zwar klein und gemütlich, hat aber zugleich das Flair einer Großstadt.

Eine letzte Frage: Was fällt Ihnen ein, wenn Sie an die Zukunft denken?

Meiner Frau und mir ist es in erster Linie wichtig, dass wir unsere Werte an unsere Enkelin weitergeben. Wir wollen Sie nicht beeinflussen, aber wir wollen gerne eine Vorbild-Funktion übernehmen. Heutzutage bekommen die Kleinen so viele Einflüsse, dass es nicht immer leicht ist. Wir genießen die Zeit mit unserer Enkelin sehr, haben ihr Schwimmen und Radfahren beigebracht und möchten gemeinsame Erinnerungen schaffen.

Innerhalb der AWO wollen wir uns auf jeden Fall weiter bei den Seniors For Future engagieren, Material sammeln, Plakate basteln und für den Klimaschutz engagieren. Leider war das aufgrund von Corona in der letzten Zeit nicht so einfach, aber so langsam können wieder kleinere Projekte in die Hand genommen werden. Wir wollen als positives Beispiel für die jüngeren Generationen voran gehen und zeigen, dass wir uns eine nachhaltigere Zukunft wünschen.

Vielen Dank für das Gespräch.

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