Mehr Mut zeigen

Christian von Zittwitz (75) ist profunder Kenner der Buchbranche und Herausgeber der von ihm 1966 in Düsseldorf gegründeten Fachzeitschrift BuchMarkt, deren Chefredakteur er über fünfzig Jahre lang war. Uns erzählt CvZ, so sein inoffizielles Kürzel, warum es für ihn nach wie vor das Schönste ist, in und für die Buchbranche zu leben.

1966 haben Sie das Magazin BuchMarkt gegründet. Das war vor über 50 Jahren – wie haben Sie es geschafft, Ihrer Idee so lange treu zu bleiben?

1966: Christian von Zittwitz (r.) präsentiert die erste BuchMarkt-Ausgabe auf der Frankfurter Buchmesse (l. im Bild Otto Dörries).

Weil mir seither nichts Schöneres eingefallen ist. Es macht mir Freude, Geschichten zu erzählen und dabei unsere Leser auf Ideen zu bringen. Die Gründungsidee ist dazu auch heute noch gültig: Warum muss eine Fachzeitschrift langweilig sein? Sie muss es nicht – und dazu ist mittlerweile für mich das Internet erfunden worden. Unser „langsames“ Monatsmagazin hat mit buchmarkt.de das schnellste Nachrichtenportal der Buchbranche. 

Was begeistert Sie so sehr am Buchmarkt bzw. -handel?

Gehen Sie in eine Buchhandlung, dann verstehen Sie, was uns alle antreibt: Kein anderer Laden auf der Welt kann täglich so viel Neues bieten wie eine Buchhandlung.

Sie gelten als Koryphäe des Buchmarktes. Aus Ihrer Sicht: was brachte Sie dazu und welche Charaktereigenschaften schätzen Sie an sich selbst am meisten?

Ich nehme mich nicht immer sehr wichtig, obwohl ich natürlich ungeheuer wichtig bin…

Ihr Netzwerk innerhalb der Buchbranche ist es aber?

Vor zehn Jahren war es engmaschiger als heute, viele meiner Freunde sind nicht mehr operativ tätig, aber ich versuche auch mit denen in Kontakt zu bleiben. 

Können Sie da noch Berufs- und Privatleben auseinanderhalten?

Nein, aber das ist es ja auch, was mich weiter antreibt. Ich will gar nicht zwischen Berufs- und Privatleben trennen, das geht auch gar nicht. Aus vielen Gesprächspartnern sind über die Jahre Freunde geworden, die zu meinem Leben gehören und die mir fehlen würden, wenn ich aufhörte zu arbeiten.

Die Gesellschaft ist immer schneller getaktet, Menschen nehmen sich kaum mehr Zeit für irgendetwas. Wie sehen Sie die aktuelle Entwicklung?

Sehen Sie das so? Für ihr Handy haben die Leute doch unendlich Zeit, und in meinen Augen wird viel zu viel und zu lange geredet, wenn auch oft über das Falsche und vor allem über Unnötiges: Früher habe ich sofort meine Gesprächspartner am Telefon erreicht, heute hocken sie in stundenlangen Workshops. Und früher bekam man die benötigte Auskunft, heute bewirke ich mit einer Frage einen weiteren Workshop.

Für sich und die Gesellschaft – was sollte in der Zukunft wieder wichtiger werden?

Ich wünsche mir mehr Eigeninitiative und Mut – im Kleinen (siehe meine Antwort gerade) und im Großen. Ich wünsche mir mehr Zusammenhalt in unserer Gesellschaft und mehr Mut auch zu unpopulären, aber nötigen Entscheidungen in Richtung Bildungspolitik und Integration.

Was bedeutet für Sie „Haltung zeigen“, auch in Bezug auf Sie selbst?

Ich versuche mich weniger opportunistisch zu verhalten, wenn es darum geht, die eigene Überzeugung zu verteidigen. Ich habe mich ein wenig geärgert, dass ich jetzt erst „Mephisto“ von Klaus Mann gelesen habe… nicht nur, weil es sich auch heute noch großartig liest, sondern weil ich jetzt erst begriffen habe, was man 1936 (als das Buch erstmals auf Deutsch im Exil erschien) schon über die erst drei Jahre zuvor an die Macht gekommenen Nazis gewusst hat – im Ausland! Ich bin unsicher, wie ich mich damals verhalten hätte, wenn ich heute schon aus Bequemlichkeit manchmal den Mund halte.

Vielen Dank für das Gespräch.

Wichtige Links:

buchmarkt.de – Das Nachrichtenportal für den Buchhandel von CvZ

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