Es geht auch anders

Christina Rau (50) war in der Agentur- und Marketingwelt zu Hause. 2018 wagte sie einen Neustart und eröffnete die FLinse – Düsseldorfs ersten Unverpackt-Laden. Ein erfolgreicher Schritt, konnte sie schon im Gründungsjahr das Sortiment von 200 auf 400 Produkte verdoppeln und treue Kunden gewinnen. Die Wahl, die FLinse in Düsseldorf zu eröffnen, ist ihr leichtgefallen – bedeutet die Landeshauptstadt doch ein Stückchen Heimat für sie. Ihr Wunsch für die Menschen dieses Großstadtdschungels? Zeit für die wichtigen Dinge im Leben, sehen, was positiv ist und Mut zu Veränderungen.

„Wiegen, befüllen, zahlen.“ – In Ihrem Unverpackt-Laden FLinse ist das Prinzip kurz und knackig erklärt. Wäre es nicht schön, wenn immer alles so einfach wäre?

Dann wäre das Leben ja langweilig! 

Sie beziehen Produkte vorwiegend direkt aus NRW – dieser bewusste Einkauf birgt sicher auch Herausforderungen, wie ein limitiertes Angebot. Nach welchen Kriterien wählen Sie Lieferanten aus?

Die Kommunikation mit kleinen regionalen Unternehmen oder Start-Ups ist sehr zeitintensiv, wird dadurch aber auch oft sehr vertrauensvoll. Meist überlegen wir gemeinsam, in welchen Gebinden, in welchen Mengen, Geschmacks-/Duftrichtungen etc. die Ware angeboten werden kann. In der Regel teste ich alle neuen Waren auch vorab oder besuche manchmal die Produktionsstätte. Hier schaue ich, ob Produkte überhaupt unverpackt verkauft werden können und stelle sicher, dass auch mir die Ware in umweltfreundlicher Verpackung zugeliefert wird.

Heißt, Ihre Kunden bekommen nur das Beste angeboten.

Auch meine Kunden werden bei neuen Produkt-Ideen möglichst von Anfang an mit eingebunden, zum Beispiel mit vorherigen Umfragen: Welche Sorte würdet ihr bevorzugen? Worin wollt Ihr das Produkt abfüllen? usw. Die Vorarbeit ist sehr wichtig, da stets ein reger Austausch mit den Kunden stattfindet und auch hier das Vertrauen eine große Rolle spielt. Natürlich kommt es auch mal zu Lieferengpässen, da einige Waren nur saisonbedingt verfügbar sind. Die Kunden haben dafür meistens großes Verständnis, da sie wissen, dass Regionalität und kleine Unternehmen dahinterstecken.

Bedeutet ökologisch handeln also gleichzeitig eingeschränkt sein und Verzicht?

Verzicht muss ja nicht negativ sein. Für mich und auch für viele meiner Kunden muss nicht immer alles und zu jeder Zeit verfügbar sein.
Wenn ich unverpackt, regional und saisonal einkaufe, nehme ich mein Umfeld wesentlich intensiver wahr. Das gibt mir ein Gefühl von Heimat. Was wird in der Umgebung von Düsseldorf angebaut und hergestellt? Wann ist was verfügbar? Durch die Diskussion zu solchen Themen entstehen soziale Kontakte, gegebenenfalls sogar Freundschaften. All das kann ungemein zur Entschleunigung des Alltags beitragen. Mir gibt es Inspiration und neue Ideen für den Alltag. Mit einem guten Gewissen, etwas für den Erhalt der Umwelt zu tun, erlebe ich auch die Natur noch intensiver.

Was verstehen Sie unter „umweltbewusster Verantwortung“ und wie werden Sie dieser gerecht?

Die FLinse in Flingern – hier gibt es an die 400 Produkte. Alle unverpackt.

Ich übernehme Verantwortung für die Umwelt, wenn ich darüber nachdenke, ob ich mit meinem Verhalten der Umwelt schade, und ob es vielleicht eine Alternative gibt. Und wenn ja, versuche ich diese in meinen Alltag zu integrieren.
Für mich spielt die Vorbildfunktion eine große Rolle. Es gibt nicht den einen Weg umweltbewusst zu leben, sondern viele. Ich habe zum Beispiel seit circa zwei Jahren kein Auto mehr und fahre mindestens drei Mal die Woche mit dem Fahrrad von Erkrath nach Düsseldorf zur Arbeit und sonst mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Dies ist gleichzeitig mein Sport und meine tägliche Zeit an der „frischen“ Luft. Ich habe immer Bio-Baumwollbeutel für Einkäufe wie Obst, Gemüse und Brot in der Tasche, aber neuerdings auch Frischhaltetücher aus Bienenwachs für die Wurst- und Käsetheke. Ich selber esse nur noch ganz wenig Fleisch und ich reise in Städte und Länder, die ich mit der Bahn oder mit dem Auto erreichen kann.
Im Kosmetikbereich komme ich komplett ohne Verpackung aus: Körperseife im Sisalsäckchen, Shampoo-Seife, Lotion am Stück, Zahnreinigungstabletten, Bambuszahnbürste, -Wattestäbchen, -Toilettenpapier. Ich versuche seit Jahren alles auf ein Minimum zu reduzieren, egal ob Haushaltswaren, Möbel, Kleidung – meine Erkenntnis: Es macht Spaß und ist befreiend!

Minimum vs. Überangebot – was ist Ihr Appell an die großen (Lebensmittel-)Konzerne?

Ich wünsche mir, dass sich der Markt von allein reguliert. Vorrang haben für mich regionale Unternehmen, Institutionen und Anbaugebiete. Wenn diese ausgeschöpft sind, schaut man im näheren Umfeld, um Nachfrage und Angebot zu regulieren, dann auf nationaler Ebene und zum Schluss auf internationaler Ebene. Das könnte meiner Meinung nach durch das Verhalten und einer größeren Einbindung der Konsumenten bei Entscheidungen in der Kommunalpolitik und politischem Druck auf Konzerne ausgebaut und gefördert werden.
Die großen Lebensmittelkonzerne müssen sich dem so aufgebauten Druck beugen und wären in vielen Bereichen gezwungen, ihr Angebot, ihre Verpackungen, ihre Preispolitik etc. umzustellen. Wenn ich ein Produkt im Supermarkt liegen lasse, weil es aus Fernost kommt oder weil es in Plastik verpackt ist – und ich eine Alternative habe, dieses Produkt oder etwas anderes dafür regional und unverpackt zu kaufen – werden auch die Konzerne nach Alternativangeboten schauen.

„Containern“, also die Mitnahme weggeworfener Lebensmittel aus Abfallcontainern, kann auch nicht die Lösung gegen verschwenderisches Handeln sein, oder?

Dass Waren übrigbleiben, kann ich nur bedingt verstehen. Es gibt bereits einige Institutionen (Die Tafel, Food-Sharing), die Waren kurz vor Ablauf des Mindesthaltbarkeitsdatum (MHD) annehmen. Einige Supermärkte haben Regalbereiche mit Sonderangeboten, bei denen das MHD kurz vor Ablauf steht oder bereits abgelaufen ist. Diese Möglichkeiten sollten von der Politik noch weiter gefördert werden, so dass diese Waren nicht in Containern, sprich im Müll, landen.

Kritisch hinterfragt: Ist die Anzahl derer, die sich engagieren, nicht viel zu gering?

Es können immer mehr sein. Ich stelle oft fest, dass viele Menschen nicht wissen, dass sie ihr Verhalten ganz einfach verbessern können und es – gerade in Bezug auf den eigenen Konsum – auch anders geht. Viele haben zum Beispiel noch nie von Unverpackt-Läden gehört, geschweige denn waren dort. In Düsseldorf gibt es inzwischen sogar drei. Daher ist es mir ein Anliegen, mein Wissen mitzuteilen und zu verbreiten, zu zeigen, dass es so, wie es ist, nicht sein muss. Denn jeder, der etwas tut, kann etwas bewegen.

Vielen Dank für das Gespräch.

Wichtige Links:
www.flinse.co – Alle Infos zu Öffnungszeiten, Sortiment, Lieferanten und Events

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