Dann hauen sie ab

Franz Rudolf Schnurbusch war Falkner, Jäger, Ausbilder. Seit 65 Jahren arbeitete er. Sein Revier war die Stadt. Ob KÖ, Hochschule oder Müllverbrennungsanlage: Überall war Schnurbusch mit seinem 18jährigen Falken Fridda im Einsatz. Sein Auftrag: Lästige Tauben vertreiben. Klassisches Jagen, sagte Schnurbusch, sei in der Stadt nunmal verboten.
Am 13. August 2019, rund drei Wochen nach unserem Gespräch, das wir in Flingern geführt haben, verstarb Franz Rudolf Schnurbusch im Alter von 81 Jahren.

Mit 16 Jahren arbeitete Schnurbusch bereits als Waldfacharbeiter. Er absolvierte eine Ausbildung zum Forstwirt und war sieben Jahre Förster. Dann zog es ihn an die Uni und er studierte Biologie, Mathematik und Deutsch auf Lehramt. Seit mehr als 18 Jahren leitet er waldpädagogische Veranstaltungen betreibt eine Falknerei und bildet zukünftige Falkner aus. Schnurbusch besitzt 16 Greifvögel: Steinader, Schneeeule, Habicht, Falken – alles dabei. Alle Vögel stammen aus der Zucht, „da man natürlich keine wilden Vögel mehr fängt und einsperrt“, sagt Schnurbusch. „Es sind unglaublich schlaue und beeindruckende Tiere. Jedes hat seinen eigenen Charakter. Wenn sie gesund bleiben, können sie zwanzig Jahre alt werden.“

Herr Schnurbusch, wieso laufen Sie mit einem Falken auf dem Arm durch die Stadt? Das ist selbst für Düsseldorf ein eher ungewöhnliches Bild.

Finden Sie? Ich bin Falkner und Jäger, Fridda und ich kommen gerade von einem Jagdeinsatz. Ich bin oft in der Stadt unterwegs. Auf der KÖ etwa im Giradet-Haus, in der Hochschule oder auch an der Müllverbrennungsanlage in Flingern.

Und was jagen Sie dort?

Ich jage Tauben. Oder sagen wir besser: Meine 18jährige Fridda vergrämt die Tauben. Denn schießen, was gemeinhin unter jagen verstanden wird, darf man in der Stadt ja nicht. Der Einsatz eines Falken ist die einzige Möglichkeit, Tauben durch ständiges Stören loszuwerden. Wenn die einen Falken sehen, dann hauen sie ab.

Für einen Städter wie mich ist es aber tatsächlich ungewöhnlich, mitten in der Stadt einem Falken zu begegnen.  

Das meinen Sie nur. Städte sind auch Lebensräume für Wildtiere. Hier kommt der Dachs, der Fuchs, der Mader vor. Sogar Rehe und Wildschweine kommen in die Vorgärten, weniger der Iltis, aber auch Wildvögel wie der Habicht, die hier brüten und etwa in den Parkanlagen leben. Die Großstadt ist gar nicht so wildtierarm, wie viele glauben. Man muss nur die Augen offen halten, dann sieht man sie auch.

Gibt es denn genug Lebensraum für Wildtiere in der Stadt? Hier ist doch alles voller Autos, Straßen und Häuser. Das kann doch nicht ideal sein für Wildtiere.

Ideal ist das nicht, aber ja, es gibt in Düsseldorf viele Brutplätze und genügend Lebensraum. Man baut den Wildvögeln sogar Bruthilfen, zum Beispiel auf der Lausward oder der Rochuskirche in Pempelfort. Die nutzen sie auch. Und die Tiere merken, dass in den Städten nicht gejagt wird, deshalb kommen sie hier her. Hier gibt es kaum natürliche Feinde.

Das heißt, die Wildtiere fühlen sich in der Stadt genauso wohl wie der Mensch?

Ob sie sich wohl fühlen, weiß ich nicht. Aber sie kommen freiwillig und bleiben auch. Allerdings tun sie sich schwer sich zu vermehren. Wenn ein junger Wanderfalke, der ausfliegt, Beute macht und sich dann auf eine Kreuzung setzt, ist er so gut wie tot. Es wäre schön, wenn die Autofahrer aufmerksamer wären und ein wenig mehr gucken, was auf der Straße los ist.

Wo kommen die Wanderfalken denn ursprünglich her, bevor sie Düsseldorf zu ihrer neuen Heimat erklärt haben?

Die Wanderfalken waren in Deutschland fast ausgestorben, es gab in der 70er Jahren noch rund 50 freilebende Tiere. Erst spät war klar, dass Insektizide, die dann verboten wurden, für den Rückgang der Population der Wildvögel verantwortlich waren. Es starteten in Berlin und später auch andernorts Zuchtprojekte mit Tieren, die man u.a. von den äußeren Lofoten Nord-Norwegens geholt hatte. Große stattliche Wanderfalken.

Lofoten, Norwegen: Ursprüngliche Heimat der meisten Falken in Deutschland

Die Zucht gelang und es wurden rund 1.000 Falken in Deutschland ausgewildert. Und wo sind sie hingezogen? Viele von ihnen in die Großstädte. Auch nach Düsseldorf. Hier gibt es aktuell sieben wildlebende Wanderfalken.

Sie sind sicher nicht ständig in der Stadt auf der Jagd. Was machen Sie noch?

Richtig. Ich habe eine kleine Firma, das Rheinische Waldpädagogium in Angermund. Das ist eine Falknerei und Falknerschule, in der ich künftige Falkner erst zum Jäger, dann zum Falkner ausbilde. Ich beschäftige 5 Mitarbeiter, alle Falkner und Jäger. Man muss erst zumindest die eingeschränkte Jägerprüfung ohne Waffe absolvieren, um Falkner zu werden. Das ist vernünftig, denn die Falknerei ist eine Form der Jagd und da muss man schon Kenntnisse in Wildtierkunde haben. Wir haben ständig 3 bis 4 Kandidaten, die das „grüne Abitur“ machen, sage ich gerne. Ich fiebere dann mit meinen Schülern, als ob ich selbst die Prüfung ablegen müsste. Immer und immer wieder.

Vielen Dank für das Gespräch.

Nachtrag

Düsseldorf verliert mit Franz Rudolf Schnurbusch ein Original, einen Naturburschen, eine Institution. Wir haben ihn als weltoffenen freundlichen Mann erlebt, der mit seiner begeisternden Art zu erzählen seine Zuhörer sofort in seinen Bann zog. Wir wissen es sehr zu schätzen, mit ihm noch ein solch wertvolles Gespräch geführt zu haben und behalten ihn in bester Erinnerung.

Wichtige Links:

Rheinisches Waldpädagogium: www.wald-paedagogik.de
Rheinische Post zum Tode Franz Rudolf Schnurbuschs.

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