Düsseldorf zeigt Haltung: Dr. Nahlah Saimeh

Ich tue, was ich bin

Jeder kann zum Mörder werden, weiß Dr. Nahlah Saimeh (53), Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie. So lautet auch eins ihrer Bücher, in dem sie ihre These aufgeschrieben und eindrucksvoll belegt hat. Sie ist als Forensische Psychiaterin Sachverständige vor Gericht und hat täglich mit Menschen zu tun, die sich verschiedenster Verbrechen schuldig gemacht haben. Meist sind es – auf den ersten Blick – recht unangenehme Zeitgenossen. Weil sich die Psychiatrie auf eine sehr spezielle Weise mit dem Menschsein beschäftigt, mit seiner Fragilität und Störanfälligkeit, hat Dr. Saimeh bewusst dieses Fach gewählt: Es gibt kein „schwarz oder weiß“, jeder Mensch bringt seine ganz persönliche, einzigartige Geschichte mit. Nahlah Saimeh schaut ganz genau hin, denn nicht selten bestimmen ihre Gutachten über die Zukunft des Angeklagten.

„Always look on the bright side of life“ ist nicht nur eine bekannte Liedzeile, sondern auch Lebensmotto vieler. Sie beschäftigen sich beruflich hingegen mit den dunkleren Seiten des Lebens, oder besser, mit denen im Leben anderer. Sie sehen hin und hören zu, wo andere vielleicht wegschauen oder voreilig urteilen. Warum?

Wer wir sind und wie wir durchs Leben gehen, welche Möglichkeiten wir in uns sehen und ausbauen können, oder welche unentwickelt bleiben, hängt von vielen Bedingungen ab. Einen Teil dieser Bedingungen können wir mitgestalten, einen anderen, sehr frühen Teil unserer Existenz nicht. Wir kommen mit einer bestimmten genetischen Ausstattung zur Welt, unsere Eltern sind liebevoll, stützend, behütend oder z. B. gewalttätig, suchtkrank, selbst durch Gewalt traumatisiert. Wir können mehr oder weniger gut lernen, sind mehr oder weniger lernwillig, bekommen eine fördernde oder eine beschränkende Erziehung. Das sind Dinge, die wir nicht wählen. Dass diese Aussage für einen geübten Buddhisten nicht stimmt, und es dazu spirituelles Wissen gibt, ist mir bekannt, aber das lasse ich hier mal außen vor. Die Forensische Psychiatrie in unserem Kulturkreis ist geprägt von psychologischem, bindungstheoretischem, psychodynamischem, neuropsychologischem und medizinisch-psychiatrischem Wissen.

Menschen unterscheiden sich im Antrieb, in ihrer Zielstrebigkeit, in einem konstruktiven Durchsetzungswillen, und auch in Eigenschaften wie Feindseligkeit und Misstrauen.
All das prägt uns und das, was wir werden, wer wir sind und wer wir sein könnten. Wir sind verantwortlich für unser Leben – ohne jeden Zweifel. Wir bestimmen das Spiel, aber wir bestimmen nicht die Karten, die wir gezogen haben.

Das heißt, eigentlich ist unser Leben vorbestimmt und von uns nur bedingt beeinflussbar?

Wir kommen als Nesthocker auf die Welt und sind ohne liebevolle Zuwendung nicht überlebensfähig. Das prägt und trägt uns für unser ganzes Leben. Es lässt uns resilient werden, um mit den Widrigkeiten und Prüfungen des Lebens, die jeder von uns in der ein oder anderen Art durchläuft, fertig zu werden. Meine Grundhaltung Menschen gegenüber, auch jenen, die man eher als unangenehm bezeichnen könnte, ist letztlich Demut. Selbst wenn ich im bürgerlichen Sinne schon der Ansicht bin, dass es zur Eigenverantwortung und Freiheit gehört, sich über die Art, wie man sein Leben gestalten will, Gedanken zu machen und einer Vorstellung nachzugehen, so ist mir doch bewusst, dass die Fähigkeit dazu letztlich auch Teil einer Beschaffenheit des eigenen Wesens ist, die einem zufällt und die man sich nicht aussucht. Ich meine damit nicht die pauschalisierende Grundhaltung, dass keiner etwas für seinen Lebensweg und seine Entscheidungen kann. Die Verantwortung im Alltag hat man für sein Leben sehr wohl. Aber auf einer tieferen Ebene ist mir Demut als Haltung wichtig.

Dr. Nahlah Saimeh

Unter dieser Annahme ist es für viele vermutlich schwer, gesellschaftlich akzeptiert zu werden. Schließlich werden gewisse Wesenszüge gemeinhin erwartet, andere einfach nicht toleriert.

Gesellschaftliches Zusammenleben braucht verbindliche Regeln für jeden, der Mitglied dieser Gesellschaft ist. Mein Verständnis von Zugehörigkeit zu einer Gesellschaft ist die Identifikation mit und die aktive Mitgestaltung und Förderung von Grundregeln, die eine Gesellschaft ermöglichen, in der möglichst viele Menschen ihr Leben selbstwirksam gestalten und teilhaben können. Eine Gesellschaft, die eine hohe Integrationsfähigkeit hat, benötigt aber dennoch klare Verbindlichkeiten. Mir machen Gesellschaften Angst, die die Unterschiedlichkeit von Menschen, ihre unterschiedlichen Anlagen, Bedürfnisse, Wünsche und Vorstellungen nicht berücksichtigen und eine Art Ergebnisgleichheit anstreben. Das geht gegen die Vielfalt menschlichen Seins in allen Möglichkeiten und Beschränkungen. Gesellschaften sind komplex. Menschen benötigen die Erfahrung der Selbstwirksamkeit für ihr Leben.

Wenn man bedenkt, dass soziale bzw. sozio-kulturelle Armut transgenerational weitergegeben wird und das trotz beträchtlicher Sozialtransferleistungen und einer Gesellschaft, die tendenziell eher keine riesigen sozialen Unterschiede will, dann sieht man, dass das Problem womöglich doch verkürzt angegangen wird. Ideologien begrenzen immer Komplexität im Denken und dulden nur monokausale Zuschreibungen. Sozio-edukative und damit auch sozio-emotionale Probleme werden nicht gelöst, weil sie viel komplexer und langwieriger anzugehen sind. Menschen sind und brauchen mehr, um ein Selbstbild und einen Lebensentwurf für sich zu entwickeln, so dass sie sich als Persönlichkeit einbringen können. Ich spreche ja oft mit Menschen aus schwierigen sozialen Verhältnissen. Sie scheitern nicht an ihrer Intelligenz und sicher auch nicht an dem Mangel an individuellen Fähigkeiten, die sie eben sehr wohl entwickeln und entfalten können, wenn die Rahmenbedingungen ihres Lebens geordnet sind.

Andere Gesellschaftsmodelle wiederum beziehen sich neuerdings wieder auf nationalistische Utopien. Auch sie pflegen gewissermaßen das Modell einer „Monokultur“. Menschsein ist aber untrennbar mit Vielfalt verbunden. Auch da gilt: Niemand sucht sich seinen Geburtsort aus. In einem sicheren Land in Friedenszeiten geboren zu werden ist Gnade, ist Geschenk und kein Verdienst. Man muss halt schauen, was man damit anfängt. Der Verantwortung können wir nicht ausweichen und damit besteht für uns alle auch immer die Möglichkeit, dass wir scheitern.

Was bedeutet das für unsere Gesellschaft?

In der aktuellen Situation stehen wir meiner Ansicht nach vor einer gewaltigen gesellschaftlichen Herausforderung und ich wünsche mir sehr viel mehr Dankbarkeit und Bewusstsein dafür, dass wir hierzulande wohl an einem der besten Orte der Welt leben. Diese Aussage ist auch dann richtig, wenn nicht jeder Einzelne ein Gleichmaß an Glück und Zufriedenheit hat. Es geht um das Ganze und um die Rahmenbedingungen, in denen sich ein individuelles Leben – mit allen Freuden und allem Schmerz – entfalten kann. Ich würde mir mehr Bewusstsein dafür im öffentlichen Diskurs wünschen. Es ist en vogue, für jedes individuelle Schicksal nach Schuldigen im Außen zu suchen. Das führt zu nichts. Es geht uns – noch – gut und die gesellschaftliche Entwicklung, die ich als nunmehr 53 Jahre alte Frau in den letzten fünf Jahrzehnten mit verfolgt habe, hat hierzulande zu einem Maß an individueller Freiheit, Selbstbestimmung und natürlicher Akzeptanz unterschiedlicher Lebensformen geführt, die für mich ein wahres Bekenntnis zum Humanismus sind.

Als ich ein Kind war, gab es so gut wie keine Frauen in Führungspositionen, als ich Kind war, gab es im Krankenhauswesen kaum Aufstiegschancen für Menschen ohne konfessionelle Bindung. Ich habe mich als Kind gefragt, ob ich als nicht getaufte Frau irgendwann einmal Chefärztin werden könnte. Ich habe 1985 Abitur gemacht. Ich kenne noch Kommentare von Menschen meiner Eltern-Generation, die sagten: Du heiratest doch sowieso und dann kommen die Kinder … Ein anderes Beispiel: Wie lange wurde gegen Menschen mit homosexueller Partnerwahl vorgegangen? Auch zuletzt war doch die Debatte der „Ehe für Alle“ von einigen Peinlichkeiten geprägt. Was kann es Bürgerlicheres geben als eine Ehe einzugehen? Was ist das für eine Anmaßung, anderen Menschen eine so emotionale und hoch private Entscheidung wie eine Ehe absprechen zu wollen?

Wir haben angesichts der unglaublichen weltweiten Vernetzung die Aufgabe, Verschwörungstheoretikern und Menschen, die ihre Überforderung mit der Komplexität unserer Welt in Hass ummünzen, besonnen und gleichwohl sehr entschieden und konsequent zu begegnen. Vielleicht wird das Bedrohungspotential noch unterschätzt und wir reagieren hilflos auf etwas, das wir lange ausgeblendet haben oder überwunden glaubten. Hass ist eine Folge von Überforderung und Angst. Das muss man ernst nehmen. Wenn Menschen Probleme in der Gesellschaft nicht mehr ansprechen dürfen, weil sich immer gleich irgendwer beleidigt, diffamiert und auf den Schlips getreten fühlt, dann machen sich Kräfte breit, die vermeintlich probate Lösungen mit sehr einfachen Mitteln propagieren, unter denen dann Millionen Menschen leiden werden. Es gibt eine besonders ungute Mischung aus Hysterie in der Debattenkultur und erstarkendem Fanatismus jeder Couleur. Beides sind ungute Entwicklungen. Mit einer ständigen Empörungskultur lassen sich weder ein Verständnis von der Gesellschaft noch Lösungen entwickeln.

Stichwort Lösungen entwickeln: Mit welchem Ansporn und mit welcher Motivation starten Sie in den Tag und gehen Aufgaben wie Probleme an?

Ich bin, was ich tue. Ich tue, was ich bin. Von daher stellt sich mir die Frage von Motivation oder Ansporn nicht. Man würde einen Fisch ja auch nicht fragen, ob er sich morgens die Frage stellt, ob er im Wasser schwimmen will. Der Fisch muss schwimmen, er ist zum Schwimmen gemacht.

Ein Fisch hat aber auch weniger Optionen als Sie. Sie können jeden Morgen neu entscheiden, wer Sie sind und was Sie tun. Was treibt Sie also an, genauso zu sein, wie sie sind, und das zu tun, was sie tun?

Ja, das könnte man meinen. Oberflächlich betrachtet ist das auch so. Ich bin nach mehr als 50 Jahren meines Lebens da angekommen, wo ich sagen kann: Das, was ich tue, ist in hohem Maße kongruent mit mir als Mensch, als Person. Das ist ein großes Geschenk. Dieses Geschenk ist aber auch die Folge einer intensiven, kritischen Auseinandersetzung mit besonderen Prüfungen im Leben. Es fällt einem nichts in den Schoß. Im Übrigen auch etwas, das häufig unterschätzt wird. Wir alle kennen den Satz „Nur wer gegen den Strom schwimmt, gelangt zu den Quellen.“ Das ist richtig, bedeutet aber auch die Bereitschaft zur Kraftanstrengung.

Dieses Ausmaß von Kongruenz erlebt vielleicht nicht jeder im Leben, aber ich wünsche jedem, dass er einen Teil seines Lebens so gestalten kann, dass er das erlebt. Bei mir ist es eben meine berufliche Tätigkeit. Ich glaube allerdings, dass dieses Kongruenz-Erleben in jedem Beruf möglich ist; bei künstlerischen Tätigkeiten ist es evident. Sie sind Musiker, Sie arbeiten nicht als Musiker, auch wenn Musizieren faktisch viel Arbeit bedeutet. Sie können aber ebenso mit Leib und Seele Bäcker sein, IT-Spezialist, Schuster, Lehrer, Zahnarzt.

Neben Ihrer Tätigkeit als Sachverständige sind Sie Lehrbeauftragte, Rednerin und auch Buchautorin. Gibt es bei Ihnen so etwas wie Alltag?

Dr. Nahlah Saimeh als Gast in der TV-Sendung Markus Lanz

Meine Tage sind insofern abwechslungsreich, als dass ich mit Menschen spreche, meine Gutachten bearbeite, Akten studiere, Unterricht gebe, Vorträge halte. Aber alles, was ich tue, tue ich gerne. Heute kann ich im Grunde sagen: Was ich nicht tun möchte, tue ich nicht. Das darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass ich ein diszipliniertes Leben führe und keine Kurzweiligkeit mehr brauche. Ich erinnere mich gut daran, dass ich früh – noch als Schulkind – für mich die Erkenntnis gefunden habe, dass wahre Freiheit darin liegt, seine aufgegebenen Aufgaben mit Freude zu erfüllen.

Für Ihre Bücher haben Sie stark provozierende Titel gewählt. „Ich bring dich um!“ oder „Jeder kann zum Mörder werden“, heißt es da. Meinen Sie Letzteres wirklich so?

Wichtig ist hier: Man kann ein kompliziertes Thema nicht vollständig in einem Buchtitel erklären. Ich zeige in dem Buch sehr unterschiedliche Fälle und Schicksale von Menschen, die aus ganz unterschiedlichen Motiven und Kontexten Tötungsdelikte begangen haben. Buchtitel entstehen immer im Wechselspiel mit dem Verlag. Ich habe nur gesagt, dass ich Titel mit dem Wort „Monster“ ablehne. Mein Ziel war, die Hybris abzubauen und Menschen klar zu machen, dass der ein oder andere Fall genauso gut auch man selbst hätte sein können. Die Idee, dass ein anderer Mensch grundsätzlich gänzlich anders ist als man selbst, halte ich für eine falsche Grundannahme. Gleichwohl bleibt die Tötung von Menschen ein schweres Verbrechen und je nach Täter-Typus hat das auch Implikationen für die Dauer des Freiheitsentzuges.

Auch mit dieser Annahme: Gibt es bestimmte Vorsätze, mit denen Sie jedem Menschen begegnen – egal ob Ihnen sympathisch oder gänzlich fremd, straffällig oder psychisch erkrankt?

Ja, ich bin respektvoll und ich nehme Menschen ernst, egal wie sie sind und was sie tun oder getan haben. Ich betrachte Menschen genau, aber ich maße mir nicht an, über sie zu urteilen.

Das klingt gar nicht so leicht. Welche Charaktereigenschaften befähigen Sie dazu?

Ich denke, ich kann mich gut in andere Lebenswirklichkeiten hineinversetzen und ich kann Menschen ganz gut erfassen. Ich bin auch nicht voreingenommen, aber ich denke, ich bin schon sehr klar. Und ich kann unangenehmen Themen mit großer Nüchternheit, Distanz und womöglich sogar mit innerer Gelassenheit begegnen.

Würden Sie sagen, unsere Gesellschaft, in der jeder eher auf sich selbst schaut, als sein Umfeld und mögliche Probleme wahrzunehmen, bewirkt, dass Menschen leichter zu Mördern werden?

Nein, das würde ich nicht sagen. Tötungsdelikte sind in unserer Gesellschaft wirklich selten. Es gibt über 5,5 Millionen angezeigte Strafanzeigen pro Jahr und weniger als 2.500 Tötungsdelikte jährlich. Bei Tötungen gibt es ja auch weitaus weniger ein Dunkelfeld als bei Sexualdelikten. Wir leben hier insgesamt schon recht friedlich im Vergleich mit anderen Ländern. Auch ist unsere „Gesellschaft“ nicht für alles und jeden verantwortlich. Diese Vorstellung würde zu einer ungeheuren Infantilisierung der Gesellschaft führen. Mit Infantilisierung meine ich, dass dieser Diskurs dazu führt, dass man einem Erwachsenen die Verantwortlichkeit für seine Entscheidungen abspricht. Wir verhalten uns kollektiv dann so wie der Täter, der die Schuld für seine Tat auf Dritte abwälzt. Der Reiz des Erwachsenseins besteht ja darin, Verantwortung tragen zu können – im Gegensatz zu einem Kind, für dessen Verhalten die Eltern verantwortlich stehen. Was wollen Sie denn als „Gesellschaft“ machen, wenn jemand beschließt, aus Habgier seinen Geschäftspartner zu erschießen? Was soll die Gesellschaft dafür können, wenn ein Scheidungsdrama mit dem Tod des einen endet? Die „Gesellschaft“ ist auch nicht schuld daran, wenn eine sehr junge Frau sehr unreif ist, sich von ebenso unreifen Männern schwängern lässt und ihre Neugeborenen im Kleiderschrank liegen lässt. Das sind individuelle Schicksale, individuelle Probleme, häufig mit einem speziellen familiären Kontext, aber die „Gesellschaft“ ist daran nicht schuld.

In ihrem Düsseldorfer Büro gehen Kunst und Arbeit Hand in Hand

„Mörder“ – ein Begriff, jedoch tausende einzelne Geschichten und Hintergründe. Machen wir es uns dann nicht viel zu einfach, Menschen, die jemanden getötet haben, mit nur einem Wort zu kategorisieren?

„Mord“ ist ein juristischer Begriff. Es gibt ja auch noch den Totschlag oder die Körperverletzung mit Todesfolge. Am Ende bleibt: Es ist immer einer tot. Und gestatten Sie mir die Bemerkung, dass sowohl für den Getöteten selbst als auch für dessen Hinterbliebene es wohl letztlich gleichermaßen schlimm ist, ob er nun durch Mord oder Totschlag ums Leben kam. Tötungsdelikte sind immer einschneidend. Solche Differenzierungen sind für die Erkennung von Strafmaßen aber notwendig und natürlich auch für die Analyse der persönlichkeitsimmanenten Gefährlichkeit in der Zukunft. Ich bekomme im Übrigen mit, dass die Strafjustiz hierzulande sich schon beträchtlich viel Mühe gibt, sich der Persönlichkeit eines Täters anzunähern und zu begreifen, wie die Tat mit seiner Persönlichkeit und seinem Lebensweg zusammenhängt.

Denken Sie oft an Straftäter und die Gutachten, die Sie über diese gestellt haben?

Ich denke über diejenige Person, über die ich ein Gutachten schreibe, nach, wenn ich das Gutachten schreibe. Und es ist wie sonst auch im Leben: Es gibt Menschen, die bleiben einem besser in Erinnerung als andere. Ihre Frage muss ich aber mit nein beantworten. Ich hoffe natürlich, dass ich mit meiner Einschätzung richtig liege. Diese so genannten gefährlichkeitsprognostischen Gutachten sind eigentlich Gutachten zum Risikoprofil. Ich kann keine Prognosen auf die lange Zeit des Lebens abgeben, aber ich kann beschreiben, welche konkreten Risikofaktoren in einer Persönlichkeit noch vorhanden sind, nicht mehr vorhanden sind und unter welchen Bedingungen welche Arten von Taten mit welcher Wahrscheinlichkeit noch zu erwarten sind. Dazu sammle ich alle verfügbaren und relevanten Informationen und ordne sie gewissenhaft ein.

Was ist Ihnen neben dem Beruf noch wichtig?

Mit meinem Beruf diene ich einem sehr differenzierten Konzept von Rechtstaatlichkeit. Das ist mir wichtig. Ferner engagiere ich mich in der Ausbildung des gutachterlichen Nachwuchses und über die Dozententätigkeit in der Ausbildung von Studierenden.

Darüber hinaus widme ich mich seit dem letzten Jahr dem Leben und Werk meines verstorbenen Mannes. Mein Mann ist immer auf der feinsinnigen, subtilen Seite des Lebens zu Hause gewesen und ich arbeite an den groben Rändern der Gesellschaft. Wir haben als Paar also eine sehr große Spannbreite abgedeckt. Mir ist bildende Kunst sehr wichtig. Außerdem befasse ich mich mit ZEN Meditation und habe begonnen, Gedichte zu schreiben.

Vielen Dank Ihnen für das Gespräch.

Wichtige Links:
https://www.nahlah-saimeh.com/index.php/nahlah-saimeh-interviews – Interviews und Veröffentlichungen von Dr. Nahlah Saimeh

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