In den Sand pfeffern

Daniel Seidl (50) verkauft Zeitungen. Auch Magazine, Bücher oder Reiseliteratur – und das im digitalen Zeitalter. Er macht das aus Berufung. Seidl ist Geschäftsführer der Hollmann Presse, dem Unternehmen, das mehrere Presse-Shops am Flughafen Düsseldorf, aber auch in der KÖ-Galerie, den Schadow-Arcaden und der Heinrich-Heine-Galerie betreibt.  

Daniel, was stand heute auf Seite 3 in der Rheinischen Post?

Das checke ich direkt morgens um 06.00 Uhr, wenn der Wecker klingelt – noch klassisch in der gedruckten Zeitung. Ich will immer wissen, was in Düsseldorf passiert, gerade auch lokal. Obwohl ich mit Print handle, bekomme ich diese Zeitung tatsächlich klassisch als Abonnent nach Hause. Da wir mit unseren Stores in der Düsseldorfer City und am Airport oft mittendrin sind, finden wir es wichtig, entsprechend Dinge zu platzieren, die den ‚Düsseldorfer’ bewegen könnten.

Alle Achtung, statistisch gesehen können das nicht viele Düsseldorfer von sich behaupten. Nur noch 4 von 10 Menschen lesen laut aktuellen Zahlen regelmäßig Zeitung, bei den 20-40jährigen ist es sogar nur noch einer von zehn. Wem verkauft ihr da überhaupt noch eine Zeitung? 

Nun – Tageszeitungen werden der Alterspyramide geschuldet tatsächlich von einer älteren Klientel klassisch auf dem Papier konsumiert, der Bildungsgrad spielt dabei auch eine Rolle. Junge Leute an die Papiervariante heranzuführen, ist schwierig. Da dominieren sicherlich die digitalen Varianten. Aber solange alle älter werden und noch lesen können, verzage ich nicht.

Früher waren Zeitungen das schnellste Medium schlechthin. Wer über den neusten Skandal informiert sein wollte, reihte sich in die Schlange vor dem Kiosk ein und kaufte dort das Extrablatt. Heute liest man Nachrichten im Netz, am liebsten mobil auf dem Handy. Jeder Zeit und überall. Sind Zeitungen, Magazine und Bücher nicht Relikte aus längst vergangenen Tagen? 

Ja – was das Tagesgeschehen angeht, ist das sicherlich so. Für den (Wissens-) Hintergrund ist das Papiermedium aber mit gut recherchierten Artikeln im Vorteil. Die Zeitung oder Zeitschrift darf dann ruhig auch mal ein paar Tage zu Hause rumliegen, digital ist das Thema dann ggf. kaum noch wahrnehm- oder auffindbar. (Taschen)-Bücher sind aktuell wirklich kein Relikt aus alten Tagen. In England und Amerika steigen die Taschenbuchverkäufe sogar. Und bei aller Technik: Ein Taschenbuch kann ich im Urlaub in den Sand pfeffern, ein Eselsohr reinknicken, es kann auch mal nass werden, alles kein Drama. Es ist eben ein praktischer Gebrauchsgegenstand mit lesbarem Inhalt…

Was fasziniert Dich so sehr daran, Presseerzeugnisse zu verkaufen?

Print berichtet über Trends. Print setzt auch mal Trends. Man ist nach wie vor am Zeitgeschehen und mitten im Leben. Ich habe das Gefühl, mit dieser Ware viel mitzubekommen im Leben, da ja über alle Facetten berichtet wird. Nachrichten, Lifestyle, Sport, Wirtschaft, Hobbies – egal über welches Thema: es gibt mindestens ein Magazin dazu.

Ist es für Dich etwas anderes, eine Nachricht auf Papier oder dem Handy zu lesen?

Klar – ich konsumiere ebenso Pushnachrichten mobil, aber intensiver lese ich nach wie vor lieber in der Printvariante.

Zeitungsleser haben früher gelesen, was Journalisten geschrieben haben. Journalisten haben durch die Auswahl Themen Relevanz gegeben. Ist das noch so, oder ist heute eher relevant, was die Blase in Facebook schreibt?  

Sicherlich ist es durch die sozialen Medien für Journalisten schwieriger geworden, im ‚Leitmedium Print’ – wenn es das überhaupt noch ist – ein Thema zu platzieren. Journalisten müssen heute teilweise selbst diese Kanäle zusätzlich bedienen, sprich den Artikel für die Printversion verfassen, dann verkürzt für den Onlineauftritt, wiederum verkürzt für Social Media. Da man in Sekunden eine Nachricht im Netz absetzen kann, finde ich die Relevanz in Print immer noch am ehesten gegeben.

Zeitungen in Seidls Shop am Flughafen: Insbesondere Reiseliteratur gefragt

Haltung ist ja meist eine Frage von Werten. Verändern sich die Werte der Menschen durch ihr verändertes Medien-Konsumverhalten?

Das ist schwierig zu beantworten. Da alles sehr viel schnelllebiger geworden ist, kann das eine durchgängige Haltung auch schneller beeinflussen. Es wird heute mehr gelesen denn je, da digital und Print zusammenkommen. Das Netz bringt alles im Turbotempo – das kann schnell zur Meinungsmache gleich welcher Richtung führen. Sicherlich schneller als früher, als man sich zunächst intensiver informiert hat, bevor sich eine Meinung gebildet hat.

Haben sich die Kunden verändert, die in Eure Läden kommen und eine Zeitung, ein Magazin oder ein Buch kaufen? 

Nun ja, schon. Die jüngere Klientel ist schwierig an Zeitschriften heranzuführen, die Massentitel verlieren hier deutlich. Gute Special Interest Titel (Zeitschriften, die sich an Leser mit einem bestimmten Interessengebiet wenden; Anm. d. Red.) funktionieren allerdings – auch bei den Jüngeren. Bei Büchern dominiert klar das Taschenbuch. Der neueste E-Reader ist nicht so sehr ein ‚Must-Have’ wie das neueste Mobiltelefon auf dem Markt.

Seidl mit Zigarre: Pure Leidenschaft

Mittlerweile haben wir aber ein deutlich größeres Sortiment – über das klassische Zeitschriften- und Büchersegment hinaus. So verkaufen wir in den Schadow Arkaden und in der Heinrich-Heine-Galerie – ganz analog – Konzertkartentickets jedweder Art. Und wir haben dort ein ordentliches Sortiment an Zigarren, unter anderem eine erfolgreiche Eigenmarke.

Was bedeutet für Dich persönlich „Haltung zeigen“?  

Dem, was in der Welt passiert, offen gegenüberstehen. Ich halte es dabei mit Angela Merkels zum Teil stark kritisierten Worten: Wir schaffen das! Ich fand das sehr mutig, aber genauso richtig. Man kann nicht die Augen zu machen und sagen, wir wollen das alles nicht – sondern Haltung zeigen heißt auch: Open Arms! 

Vielen Dank für das Gespräch.

Wichtige Links:

Hollmann : www.hollmann-duesseldorf.de

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